160607_Atomenergie ade_Comic

Die Stadt Zürich mag nicht mehr und steigt aus der Atomenergie aus – zwar erst 2034, aber immerhin gibt es diesbezüglich nun seit dem 5. Juni 2016 einen Volksentscheid. Und zwar einen deutlichen, mit 70% Ja-Stimmenanteil (bei einer zugegebenermassen eher durchschnittlichen Stimmbeteiligung). Optimistinnen und Optimisten sehen in diesem Entscheid eine Signalwirkung für die eidgenössische Abstimmung zum selben Thema im November dieses Jahres, wenn eine Volksinitiative der Grünen an die Urne kommt. Wobei der Ausstieg aus der Atomenergie dann bereits bis 2029 über die Bühne müsste. Die Gegnerinnen und Gegner des Atomausstiegs argumentieren mit drohenden Versorgungsengpässen und steigenden Energiekosten. Eine vollständige Umstellung der Energieproduktion auf erneuerbare Quellen bis 2029 ist vermutlich äusserst sportlich, ein Ausstieg bis 2050 müsste aber zu schaffen sein. Man reibt sich ein bisschen verwundert die Augen, dass ausgerechnet die hochtechnologisierte, an Geldern und Spitzenforschung reiche Schweiz in dieser zukunftsweisenden Frage so defensiv agiert, zumindest auf gewissen politischen Bühnen. Das von konservativ-bürgerlicher Seite gerne ins Feld geführte Argument der Kosten, welcher Art auch immer, ist kein stichhaltiges, sondern ein fadenscheiniges. Der Entschluss zum gestaffelten Verzicht auf Atomenergie und fossile Energieträger könnte sich letztendlich sogar finanziell durch die Etablierung eines neuen Wirtschaftszweiges auszahlen. Viele Länder und Regionen dieser Welt leiden an Stromunterversorgung; das Exportpotential für die hiesige Forschung und Industrie für dezentralisierte, erneuerbare Energiequellen ist gewaltig. Marktökonomen und -ökonominnen mögen nun monieren, dass sich Angebot und Nachfrage ‚frei‘ formieren sollen – also, dass die Nachfrage nach erneuerbaren Energien nicht ‚künstlich‘ durch Fördergelder erzeugt werden soll oder darf. Nur: Atomstrom ist auch subventioniert, von den hohen Kosten des bis jetzt noch nie durchgeführten Rückbaus ganz zu schweigen. Der Zürcher FDP-Stadtrat Andreas Thürler befürchtet gar, dass die Stadt Zürich allfälligen Interessenten Geld bezahlen müsse (!), damit diese die Aktienpakete der Stadt Zürich an den Atomkraftwerken Gösgen und Leibstadt sowie die Bezugsrechte den französischen KKW Bugey und Cattenom übernehmen. Der ‚Markt‘ scheint also auch für Atomenergie nicht zu funktionieren …

Fabienne Hoelzel

Kolumne „Atomenergie ade“